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Erwin Gerster zum Gedenken - Durch Beruf und Gewerkschaft geprägt!

Zum Gedenken an Erwin Gerster ehemaliger Zentralpräsident des Schweizerischen Typographenbundes (STB) und der Gewerkschaft Druck und Papier (GDP)

Am 16. Oktober 1919 erblickte Erwin Gerster in Kreuzlingen als viertes Kind einer Dachdeckerfamilie das Licht der Welt. Doch das väterliche Handwerk war nicht sein Ding, fühlte er sich doch zu den Büchern hingezogen. So war er froh, dass ein älterer Bruder in Vaters Fussstapfen stieg und er als Jüngster seinen Wunschberuf des Schriftsetzers wählen konnte. Als Seebub erlebte er eine sorglose und glückliche Kinder- und Jugendzeit am Bodensee und schätzte sich glücklich, dass er eine Lehre als Schriftsetzer bei der «Bodan AG» in Kreuzlingen absolvieren konnte.

Wie zu dieser Zeit üblich trat Erwin gleich zu Beginn der Lehrlingsgruppe «Jungbuchdrucker» des damaligen Schweizerischen Typographenbundes bei und besuchte fleissig Vorträge. Seinen ersten Kontakt mit der Gewerkschaft hatte er über seinen Onkel Gottlieb Gerster erfahren. Denn sein Onkel war nicht nur Typograph, sondern auch Initiant der Schweizer Büchergilde. Diese Buchgemeinschaft die ganz in der Tradition der Arbeiterbewegung – ärmeren Leuten durch preiswerte Bücher den Zugang zur Bildung und Kultur ermöglichte – faszinierte den kulturinteressierten Erwin und so wurde er später selber Vertrauensperson der Büchergilde und machte Hausbesuche.

Nach Lehrabschluss und Rekrutenschule folgten über tausend Tage Aktivdienst. Während dieser Zeit lernte er Erika Dietrich kennen, die nach Kriegsende seine Frau wurde.

Eine Stelle bei der «Calendaria» in Immensee bewog das junge Paar 1945 an den Fuss der Rigi zu ziehen, wo sie sich bald am Nachwuchs von zwei Töchtern erfreuen durften. Ein Stellenwechsel zur C.J. Bucher hatte zur Folge, dass Erwin fünf Jahre zwischen Immensee und Luzern pendelte. Neben seiner Tätigkeit als Lehrlingsausbildner war er in Luzern Prüfungsexperte. Seine Fähigkeiten – das Wissen und Können an junge Leute weiterzugeben – blieben nicht unerkannt und so wurde er als Fachlehrer im Nebenamt an die Kunstgewerbeschule Luzern berufen.

1953 folgte der Umzug nach Bümpliz, denn sein neuer Arbeitgeber hiess «Benteli AG». 1960 dann der Wechsel zur «Verbandsdruckerei Bern», wo er die Lehrlingsabteilung leitete. 1962 wechselte er zum Fritz Pochon-Jent Verlag «Der Bund», wo er zeitweise bis zu vierzehn Lehrlinge betreute und dieser Aufgabe bis zu seiner Pensionierung treu blieb. Während seines ganzen Berufslebens hat Erwin Lehrlinge ausgebildet und begrüsste es sehr, als endlich auch Mädchen den Schriftsetzerberuf erlernen konnten. Er stand stets für die Gleichberechtigung ein und vor allem freute es ihn, wenn die junge Frauen die Prüfungen mit Bestnoten bestanden.

Nebst seinem beruflichen Engagement – das vorab der Ausbildung der jungen Berufsleute galt – gab es das beindruckende gewerkschaftliche Engagement. Am Arbeitsplatz hat er sämtliche Karriereangebote ausgeschlagen – er wollte nie Vorgesetzter, nie über seine Kolleginnen und Kollegen gestellt werden.

Seine ganze Kraft stellte er der Gewerkschaft zur Verfügung. Während Jahrzehnten hat Erwin dafür ein enormes Pensum geleistet, mit jährlich über 400 Sitzungsstunden. Alle Ämter und Funktionen – nebst seiner 100%-Arbeitsstelle – bewältigte er im Nebenamt.

Kurz nach seiner Wahl zum Zentralpräsidenten des Schweizerischen Typographenbundes im Jahre 1967 gab es interne Auseinandersetzungen über die gewerkschaftspolitischen Ausrichtungen. Auch in den nachfolgenden Jahren kam der Verband nicht zur Ruhe. Während all dieser Zeit behielt Erwin die Ruhe und Übersicht. Dank seiner Beharrlichkeit und Standhaftigkeit konnte manche Klippe umschifft und GAV’s verbessert werden.

1980 erfolgte der Zusammenschluss mit dem Schweizerischen Buchbinder- und Kartonagerverband (SBKV) zur Gewerkschaft Druck und Papier (GDP). Eine Entwicklung, die ganz im Sinne Erwins war, war er doch stets ein Verfechter eines Zusammenschlusses der grafischen Gewerkschaften.

Auseinandersetzungen um das Präsidium spitzten sich zu. Ein Gegenkandidat in der Person des Präsidenten der Sektion Zürich wurde nominiert. Eine a.o. DV beschloss 1981, dass die Wahl mittels Urabstimmung zu ermitteln sei. Bei der Auszählung entstand der Verdacht auf Wahlfälschung zugunsten des Gegenkandidaten und es erfolgte eine gerichtliche Strafuntersuchung.

Die darauffolgende ordentliche DV vom Juni 1981 in Baden war durch diese Situation stark belastet und es wurde beschlossen, eine neue Urabstimmung durchzuführen. Diese fand jedoch nicht mehr statt, da der Gegenkandidat in der Zwischenzeit seine Kandidatur zurückgezogen hatte. So konnte Erwin Gerster gleichen Jahres an einer a.o. DV im Amt bestätigt werden. 

Obwohl Erwin das Pensionsalter schon erreichte hatte, stellte er sich an der Delegiertenversammlung 1985 in Zürich nochmals für eine Amtsperiode zur Verfügung. An der ordentlichen DV 1989 in Montreux wurde er dann von seinem Nachfolger Christian Tirefort abgelöst.

Erwin konnte auf eine intensive und bewegte Präsidialzeit von 22 Jahren zurückblicken. In all dieser Zeit war er nicht zuletzt dank seiner ruhigen, bedachten und ehrlichen Art ein integrierender Präsident. Eine Persönlichkeit mit starkem Rücken und aufrechtem Gang. Seine Person stellte er nie in den Vordergrund, ihm waren das Gesamtinteresse des Verbandes und das Wohl der Mitglieder wichtig.

Nach der Pensionierung und seinem Rücktritt hat Erwin weiter mit viel Willen und klarem Geist am Leben teilgenommen. Er blieb über all die Jahre ein überaus kulturell und politisch interessierter Mensch, einer der bis zuletzt immer wieder seinen kritischen Geist durchblicken liess.   

Es war ihm vergönnt zusammen mit seiner Frau Erika – die ihm stets eine wichtige Stütze war – eine lange und glückliche Pensionszeit zu geniessen. Sein Schrebergarten – den er vor vier Jahren im fortgeschrittenen Alter von 94 Jahren abgab – wurde sein grosses Hobby. Da konnte seine Naturverbundenheit nochmals so richtig aufblühen!

Am 12. März 2018 ist Erwin Gerster im 99. Lebensjahr gestorben. Im Frieden mit sich und der Welt durfte er von einem langen, erfüllten Leben Abschied nehmen. Ein Leben das durch gewerkschaftliches und soziales Engagement geprägt war.

Hans Kern, Peter Rymann, Heinz Thommen, Franz Trummer

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